Wellings Metamorphosen

Zitate

Wer jemals Gemälde von Mark Rothko gesehen hat, der wird an diese sofort erinnert beim Anblick von Wellings Serie „Degrades“. Farbverläufe in verschiedenen Varianten: entstanden in der Dunkelkammer ohne Gebrauch der Kamera. Tatsächlich hat Welling Rothko kurz vor dessen Tod besucht. Der folgende Link verweist auf die „Degrades“ auf Wellings Website.
Die Serie „Hands“ verweist auf László Moholy-Nagy. Zu sehen sind Fotogramme, entstanden dadurch, dass Fotopapier belichtet wurde, während ein Teil des Papiers mit der Hand (oder einem anderen Gegenstand) abgedeckt wurde. Im Ergebnis erscheint die Hand, nur durch ihren Umriss charakterisiert, weiß vor einem schwarzen Hintergrund. Solche Fotogramme sind ein wichtiger Teil des Schaffens von Moholy-Nagy, wie es etwa im folgenden Link ein Beispiel aus den Eastman-Collections zeigt. Allerdings ist das Gesamtwerk Moholy-Nagys wesentlich breiter gefächert. Im Gegensatz zu den „Degrades“, bei welchen das Original mit anderen technischen Mitteln zitiert wird, wird bei „Hands“ die gleiche Technik wie beim Original angewandt. Dadurch bekommt für mich das Zitat den leichten Anruch einer bloßen Kopie, trotzdem sich Moholy-Nagys und Wellings Fotogramme deutlich voneinander unterscheiden. Zum Vergleich zeigt der folgende Link die Fotogramme „Hands“ aus Wellings Serie. Konnte Moholy-Nagy für sich beanspruchen, in einer neuen Technik zu experimentieren, so kann Welling diesen Anspruch – mindestens vierzig Jahre später – nicht mehr erheben. Für mich ist auch nicht zu erkennen, welchen Anspruch diese „Hands“ denn haben.

Versuch eines persönlichen Zugangs

Ich werde mir jetzt erlauben, große Teile der Retrospektive unbeachtet zu lassen und berichte statt dessen von einer ganz persönlichen, spontanen Assoziation, die mir – wieder nur ganz persönlich – einen Teil des Werkschaffens erschlossen hat, wobei ich überzeugt bin, dass James Welling selbst nie auf diese Assoziation gestoßen ist.
Schlüssel dazu ist die Serie „Meridian“ mit Farbaufnahmen aus einer Druckerei: Druckmaschinen, ein Scanner, ein Container mit Papierabfall, ein farbverschmierter Abfallbehälter, ein Pantone-Farbfächer und ähnliche Utensilien. Dass mir diese Ansichten banal erscheinen, mag an meiner Vorbelastung liegen: Nach mehr als dreißig Jahren Beschäftigung in einer Druckerei verlieren solche Szenen ihren Sensationsgehalt. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass weniger vorbelastete Fotografen sehr wohl den Reiz sehen in den Motiven, die sich in einer solchen Umgebung finden lassen. Ein Bild zeigt einen Stapel Druckbogen, auf welchen erst zwei Farben gedruckt waren. Das hat bei mir die Assoziation ausgelöst und die Erinnerung an Bilder auf Druckbögen, die erst aus einem Teil der (üblicherweise vier) Farben bestehen. Dabei entstehen Bilder, die anfangs nur monochrom in Purpurtönen (Magenta) erscheinen; nach dem Druck der zweiten Farbe (Cyan), mischt sich dieses Purpur mit Blaugrün. Die ersten Drucke, die aus der Maschine kommen, dienen zudem nur zum genauen Einpassen der Druckplatte und weisen daher noch teils kräftige Verschiebungen zwischen den Teilbildern auf. Schließlich folgt als dritte Farbe Gelb, welches dann im Großen und Ganzen farbrichtige, aber flau wirkende Bilder erzeugt, die erst durch die vierte Farbe (Schwarz) Kraft und Durchzeichnung bekommen.

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