Die Kunst des Weglassens

Auf zwei der Aufgezählten gehe ich dennoch ein: Zunächst stimme ich Dubesset zu, wenn er Franco Fontana zu jenen Fotografen zählt, die (teilweise) minimalistisch fotografieren. Dass der Autor aber auch Bernd und Hilla Becher zu den Minimalisten zählt, hat mich doch etwas verwundert. Das Ehepaar gilt als Begründer der Düsseldorfer Fotoschule, aus welcher Fotografen wie Andreas Gursky und Thomas Ruff hervorgegangen sind. Dubesset nennt eine Sammlung von Fotografien, welche Industrieanlagen zeigen, stets vom gleichen Aufnahmestandort fotografiert, stets in Schwarzweiß und stets in relativ kleinformatigen Prints ausgeführt. Durch die Einschränkung auf ganz bestimmte Motive, die konsequent auf gleiche Weise mit gleichen Mitteln fotografiert wurden, äußert sich der Minimalismus vor allem im Entstehungsvorgang. Obwohl diese Darstellung auch plausibel erscheint, so kann ich mich damit nicht ganz anfreunden. Dieser Minimalismus erschließt sich dem Betrachter doch nur dann, wenn er den gesamten Bilderzyklus vor sich hat. Aber auch der gesamte Zyklus wirkt eher vielschichtig und detailreich. Klarheit oder Einfachheit vermitteln mir die Bilder nicht.

Versuch einer persönlichen Auswahl

Ich werde nun die Beispiele Dubessets nicht weiter verfolgen und selbst vier Fotografen nennen, die vielleicht nicht als pure Minimalisten zu betrachten sind, in deren Werk es aber Beispiele minimalistischer Darstellung gibt. Das möchte ich bei den drei ersten belegen mit einem Link auf jeweils ein Bild. Der Name des Künstlers ist zugleich dieser Link.
Der älteste Künstler ist Alexander Rodtschenko (1891 bis 1965). Seine Karriere begann er als Maler und Absolvent der Kunstschule von Kasan. Seine Entwicklung führte über mehrere Kunstströmungen hin zum Konstruktivismus. Als Konstruktivist stellte er 1921 in Moskau ein Triptychon aus drei einfarbigen Bildern aus, über welches er sagte:

Ich habe die Malerei zu ihrem logischen Ende gebracht und drei Bilder ausgestellt: ein rotes, ein blaues und ein gelbes, und dies mit der Feststellung: alles ist zu Ende. Es sind die Grundfarben. Jede Fläche ist eine Fläche, und es soll keine Darstellung mehr geben.

Rodtschenko legte den Pinsel weg und wandte sich (unter anderem) der Fotografie zu. Typisch sind seine sehr hart ausgearbeiteten Ansichten und sein Spiel mit Licht und Schatten. Ich hatte das Glück, sein Triptychon nebst anderen Werken in einer Ausstellung der Albertina in Wien zu sehen und einen Teil seines fotografischen Werks im Jahr 2013 in der Galerie Westlicht. Rodtschenko begann übrigens 1942 wieder zu malen.
Fast noch ungewöhnlicher ist die Doppelkarriere von Stefan Kruckenhauser (1904 bis 1988). Der geborene Münchner absolvierte in den Dreißigerjahren ein Sportlehrerstudium in Wien und finanzierte dieses (auch während der Wirtschaftskrise) durch Fotografieren und Verkaufen von Postkarten. Beides, der (Schi-)Sport und das Fotografieren, prägte sein Leben. Er wurde, indem er das Wedeln erfand, zum Pionier der Schitechnik und als ein Leica-Fotograf der ersten Stunde auch zum Pionier der Kleinbildfotografie. Mit Hilfe von Teleobjektiven schuf er mit der Leica nicht nur dramatische Schiszenen, sondern auch Landschafts-, Dorf- und Stadtansichten aus seiner österreichischen Wahlheimat, welche vor allem im Band „Verborgene Schönheit“ gesammelt sind. Schon vor Jahrzehnten haben mich seine knappen Ausschnitte beeindruckt und wahrscheinlich auch in meiner eigenen Fotografie beeinflusst. Das Prädikat „Heimat- und Heile Welt-Fotograf“ kommt Kruckenhauser zwar zu, wird ihm aber nicht vollständig gerecht.

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