Die Kunst des Weglassens

„Minimal Art“ ist eine Kunstrichtung, die in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden ist. Wenn man diese Bezeichnung als Motto für die Kunstrichtung interpretieren will, so lautete dieses Motto nicht (wie sich etwa vermuten ließe) „So wenig Kunst wie möglich“, sondern eher „So einfache Kunst wie möglich“. Wäre dann nicht eher die Bezeichnung „Simple Art“ angebracht? Auch das gäbe kein zutreffendes Bild, denn einfach soll weder die Aussage, noch der Gehalt des Werks sein; vielmehr soll der volle Gehalt des Werks vermittelt werden durch einen visuellen Ausdruck, der so einfach, so reduziert wie möglich ist. In der bildenden Kunst würde das bedeuten, dass nichts mehr weggelassen oder vereinfacht werden kann, ohne das Werk in seiner Aussage zu verändern. So also ist Minimal Art – oder Minimalismus – zu verstehen. (Der Begriff „Minimalismus“ bezieht sich nicht nur auf die Kunst, sondern auf mehrere Bereiche der Lebenswelt.)

Minimal Art begegnet uns nicht allzu oft in der Malerei, dafür sehr häufig etwa in der Gebrauchskunst. Natürlich ist es schwierig, bei einer Stehlampe von Gehalt oder Aussage zu sprechen, aber hier steht im Vordergrund die Ästhetik des Einfachsten, was bei voller Funktion zu erreichen ist. Es ist also nicht die nackte Glühbirne eine „Minimal Art“-Leuchte. Das Leuchtmittel muss vielmehr in einen ästhetischen Rahmen gefasst sein, welcher den Anforderungen des Minimalismus genügt, das heißt, in einen Rahmen, der klar und einfach in der Formgebung ist und dennoch ästhetisch gestaltet. Was ästhetisch ist und was nicht, bietet natürlich stets Diskussionsstoff, aber das ist hier nicht das Thema.

Abstrakter Expressionismus und Minimal Art in der Malerei

Ich habe gerade eben angesprochen, dass wir Minimal Art in der Malerei nur selten finden, dabei soll es hier ja um Fotografie gehen. Aber nachdem die Fotografie – im Vergleich zur Malerei – eine relativ junge Kunst ist, welche den größten Teil der Stilentwicklung in der Malerei nicht mitgemacht hat, so müssen wir uns noch relativ oft in Stilfragen an der Malerei orientieren, weil die Malerei, wie auch die Fotografie, zweidimensionale Ergebnisse hervorbringt – und weil daher zumindest in dieser Hinsicht eine Art von Verwandtschaft besteht.
Minimal Art entstand vor allem in Amerika als eine Gegenbewegung zum abstrakten Expressionismus. Dessen Bilder wirken allesamt sehr dynamisch, oftmals kräftig in den Farben und vor allem emotional. Man denke zum Beispiel an die Bilder eines Jackson Pollock. Dieser steht für eine Technik des abstrakten Expressionismus, welche „Action Painting“ genannt wird. Farbfeldmalerei ist die andere Technik. Robert Motherwell ist ein bedeutender Vertreter, aber auch Mark Rothko zählt zu den Vertretern der Farbfeldmalerei. In beiden Techniken wird die Farbe kaum kontrolliert mit einem Pinsel auf den Malgrund aufgetragen – Bildkomposition im klassischen Sinn gibt es nicht. Alles scheint direkt aus dem Unterbewusstsein des Künstlers zu entstehen, gewollt subjektiv und emotionsgeladen, vorwiegend mit Auftragsmethoden wie Schütten, Spritzen und Wischen.

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