Den Bach hinunter

Aber erst, wenn man weiß, was hier dargestellt wird, wird aus ästhetischem Genuss Betroffenheit. Genau das ist die Absicht des Zyklus.

Dagegen ist kein Einwand zu erheben: Es wird auf eine globale Gefährdung hingewiesen, deren Auswirkungen dramatischer nicht sein könnten und dafür wird ein ungewöhnlicher Weg begangen. Der Betrachter wird aus seiner ästhetischen Anschauung der Bilder heraus mit deren zutiefst verstörenden Hintergrund konfrontiert, wenn er die Bildtexte liest. Die emotionale Wirkung – könnte ich mir vorstellen – wird duch diesen harten Kontrast deutlich gesteigert. Zumindest ich habe es so empfunden.

Das Wasser-miss-management am Colorado River ist nur ein Beispiel von vielen, die Burtynskys Bilder zeigen. Ich werde in dieser Sache nicht ausführlicher werden, empfehle aber allen Menschen, die die Möglichkeit dazu haben, die Ausstellung anzusehen, in Wien oder auch anderswo. Als Alternative bietet sich die Möglichkeit, die Ausstellung in Buchform (englisch) zu konsumieren. Es ist wichtig, das Bewusstsein von der Bedeutung des Wassers für die Existenz des Menschen zu schaffen und zu vertiefen.

Gefahr der Missdeutung und Eigenständigkeit der Bilder

Edward Burtynsky: FarbenrauschDoch bei aller Wichtigkeit habe ich dennoch zu der Ausstellung das eine oder das andere anzumerken – auch unter dem Aspekt, dass dieser Beitrag eigentlich nicht von Ökologie, sondern von Fotografie handeln sollte: Es ist ja nichts Außergewöhnliches, dass der Kurator eine Ausstellung mit erklärenden Texten begleitet. Doch üblicherweise bleibt es dem Besucher überlassen, ob er die Texte liest oder nicht. Auch wenn dieser davon Abstand nimmt, kann er noch immer die Ausstellung mit Gewinn betrachten – weil die Texte üblicherweise den Sinngehalt der Bilder nicht beeinflussen, sondern nur Zusatzinformationen liefern. Das Verständnis von Burtynskys Bildern – und nicht nur von jenen aus dem Zyklus „Wasser“ – ist aber weitgehend abhängig von Texten, die beschreiben, was überhaupt dargestellt wird. Ohne Erklärung würden die Bilder zum Großteil missdeutet.

Dass die Möglichkeit, die Bilder zu missdeuten, überhaupt besteht, setzt wieder voraus, dass es eine gültige Deutung der Bilder gibt und dass andere Deutungen durch den Betrachter nicht zulässig ist. Der Fotograf legt also fest, wie seine Bilder zu deuten seien – nämlich so, dass sie sein Anliegen illustrieren. Damit verlieren die Bilder ihre Eigenständigkeit. Es wird ihnen nicht erlaubt, für sich selbst zu sprechen und ihrem Wesen nach werden sie tatsächlich Illustrationen – außerordentlich gekonnte und eindrucksvolle Illustrationen, aber eben doch nicht mehr als Mittel zum Zweck.

Als Mittel zum Zweck könnte man auch Modefotografie oder Reportagen betrachten. Dennoch gibt es einen – und nach meiner Meinung den entscheidenden – Unterschied: Mode- und Reportagebilder sprechen für sich selbst; auch dann, wenn sie mit erklärenden Texten versehen sind. Der Betrachter kann die Erklärung lesen oder auch nicht. Er kann auch über das Bild als solches urteilen, ohne dabei in in Betracht zu ziehen, dass ihn die dargestellte Mode gefällt oder auch nicht. Die Absicht des Fotografen wird auch vom Bild selbst transportiert. Diese Eigenschaft aber lassen Burtynskys Bilder meist vermissen.

Trotzdem kann und sollte man die Ausstellung besuchen, dabei aber keinesfalls versäumen, die erklärenden Texte zu lesen. Zudem sollte man an die Ausstellung nicht die gleichen Erwartungen herantragen wie an eine „normale“ Fotoausstellung.

Ausstellung: Wasser
Ort: Kunsthaus Wien
Künstler/In: Edward Burtynsky
Kurator/In: Enrica Viganò und Bettina Leidl
Zeit: 23. März 2017 bis 27. August 2017

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